Antonio Gramsci und die Programmdiskussion der Linken

von Dr. Heinz Sonntag

Unser Bildungsverein Elbe-Saale und das Podium der Linkskurve in Magdeburg eröffnete ihre programmatischen Diskussionsforen 2007 mit Antonio Gramsci. Besonders hilfreich war die Einführung durch Dr. Sabine Kebir, die aus ihrem reichen Erfahrungsschatz die Biographie, die Werkanalyse, die Rezeption und aktuelle Denkimpulse Gramscis vorstellte.
„Der Bildungsprozess von Linkspartei und WASG in den Jahren 2007 und 2008 – ist da der Bezug auf Gramsci nicht ein Umweg?“ Hans Modrow
Die Diskussion im Forum belegte, dass man unserem Ehrenvorsitzenden folgen kann, wenn er für die plurale Programmdiskussion: „Es geht nicht um Kleinigkeiten, sondern um Grundsätzliches“ fordert.
Was aber kann Gramsci an Grundsätzlichem hilfreich anbieten? Hierzu nur zwei Belege. Zum einen zählt u.E.. dazu die Zielorientierung linker Politik auf die Möglichkeiten der modernen Zivilgesellschaft mit ihren Triebkräften für soziale Demokratie und sozialen Humanismus. Damit ist die Linke dem „Glutkern“ Marxschen Denkens näher, als wenn man auf die Wirkung mechanisch determinierter Gesetze der sozialistischen Revolution und der Diktatur des Proletariats hofft. Bei Gramsci, besonders in den zehn Bänden der Gefängnishefte, lebt die materialistische Dialektik, wenn er die Dialektik von Ökonomie, Politik und Bewusstseinformen historisch konkret herleitet, bei besonderer Würdigung der Kunst, Kultur und Bildung. Dabei benennt er auch die Gefahren der Manipulierung, des Faschismus und des Reformismus. Hervorgehoben wird die Rolle der Volksmassen, aber auch die politische Verantwortung der organischen Intellektuellen für die Erringung der geistigen Hegemonie dank einer neuen Aufklärung. Wichtiges Instrument ist dafür die Philosophie der Praxis, die Philosophie von Marx, Lenin und Rosa Luxemburg.
Zum anderen ist dem Gedanken W.F. Haugs zu folgen, dass aus dem Werk und dem Wirken Gramscis ein neuer Internationalismus der Linken erwachsen kann. Dieser Internationalismus analysiert die Dialektik von Ökonomie, Politik und Ideologie des heutigen Weltkapitalismus als Herrschaftssystem und Herausforderung für die Linken der Welt. Er zeigt die tiefen Widersprüche und Krisen des Systems, die Opfer von Sozialabbau, Umweltzerstörung und Unterentwicklung in der Mehrheit der Menschheit. Dies alles sollte im Programm einer neuen Linken für Deutschland aufgehoben werden, z.B. in der solidarischen Unterstützung des Sozialismus des 21. Jahrhundert, der Aktivierung der Europäischen Linkspartei über das Parlamentarische hinaus, aber auch der Weltsozialforen. Eine andere Welt ist möglich und notwendig, bleibt so keine Deklaration, sondern politisches Fernziel einer sozial verantwortlichen und humanen Politik der Linken. Das 2003 beschlossene strategische Dreieck der PDS kann dazu beitragen, Grundsätze und Utopien Gramscis lebendig zu erhalten und sich nicht in programmatischen „Kleinigkeiten“ diverser Politikfelder der parlamentarischen Arbeitsteilung zu verlieren.
In diesem Sinne bereiten wir das zweite Forum am 25.01.2007 vor, eine Buchbesprechung von Stefan Bollinger zu seiner Edition: „Lenin, Träumer und Realist“.

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