Gewalt gegen Frauen - nicht nur ein Thema
für Frauen

Gewalt hat viele Gesichter. Gewalt ist Bestandteil unserer Alltagswelt. Die Wege, Gewalt zu bekämpfen, müssen entsprechend differenziert sein. Unter dem Titel " Frauen gegen Gewalt in der Gesellschaft, Gewaltfreiheit als Bedingung von politischen und sozialen Menschenrechten" lud der Bildungsverein ELBE-SAALE am 30. Juni zu einer Arbeitstagung nach Magdeburg ein. Das Spektrum der dort vorgestellten Beiträge zum Thema war sehr breit. In ihrem die Tagung eröffnenden Vortrag analysierte Frau Dr. Viola Schubert-Lehnhardt den Begriff Gewalt. Die Beantwortung der Frage - was Gewalt sei - ist schwierig. Gewalt kann ein einmaliger physischer Akt sein. Gewalt kann auch als Beeinflussung von Menschen und die Behinderung ihrer Möglichkeiten der Selbstverwirklichung definiert werden. Gewalt und Macht stehen im Zusammenhang. Macht ist dabei nach Max Weber die Chance, seinen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen.
Fortführend stellte die Referentin fest, daß geschlechtsspezifische Gewalt ein zentrales Problem für die öffentliche Gesundheit darstellt. Es umfaßt verschiedene Formen des Mißbrauchs, einschließlich häuslicher Gewalt, Vergewaltigung, sexuelle Übergriffe, sexueller Mißbrauch von Kindern, Prostitution, Frauenhandel etc.. Jedoch bliebe der Einfluß struktureller Gewalt bei der Betrachtung dieser Probleme bislang weitgehend ausgeschlossen. Frau Dr. Viola Schubert-Lehnhardt machte abschließend eindeutig klar, daß ein Großteil des Gesamtaufkommens an Gewalt noch immer sozial legitimiert wird. Frau Dr. Eleonora Pfeiffer wandte sich einführend dem Umgang der Organe der Europäischen Union mit dem Thema Gewalt gegen Frauen zu. Erst in der letzten Dekade des 20. Jahrhunderts wandte sich die EU generell verstärkt der Frauenpolitik zu. Zu den Ursachen dafür gehören unter anderem der in den 90er Jahren auftretende Aktivitätsschub der internationalen Frauenbewegung sowie das politische Abstimmungsverhalten der Frauen aus nordeuropäischen Ländern (insbesondere Schweden, Finnland, Dänemark), das die weitere Entwicklung der EU stark beeinflussen kann. Viele Bürgerinnen der skandinavischen Staaten befürchten im Rahmen der Harmonisierung der europäischen Gesetzgebung bereits errungene Erfolge auf dem Gebiet der Gleichstellung wieder einzubüßen. Bis in die 70er Jahre hinein war Gewalt gegen Frauen als öffentliches Thema ein Tabu. Und erst 1993 wurden Frauenrechte zum ersten Mal als Menschenrechte durch die UN definiert. Heute zählt Gewalt neben Armut zu den Problemen, bei deren Betrachtungsweise zwischen den Frauen sowohl der Industriestaaten als auch der sogenannten Entwicklungsländer ein breiter Konsens besteht. Zum Abschluß ihres Beitrages ging Frau Dr. Pfeiffer auf einen Bereich der direkten Gewalt gegen Frauen ein, der nur selten ans Licht der Öffentlichkeit kommt - Menschenhandel. Pro Jahr werden schätzungsweise rund 500.000 Frauen illegal in die EU gebracht und zum großen Teil zur Prostitution gezwungen. Eine Angleichung des nationalen Rechtes der EU - Mitgliedsstaaten und der Beitrittskandidaten sei zum Zweck der effektiven Bekämpfung von Menschenhandel unabdingbar. Im Rahmen ihrer Ausführungen zur Umsetzung des gender-mainstreaming-Prinzips in Schweden kam Frau Dr. Christa Heidecke später noch einmal auf das Thema Prostitution zurück. Schweden ist ohne Zweifel das europäische Land, in dem der Prozeß der Gleichstellung der Geschlechter am weitesten fortgeschritten ist. Gewalt gegen Frauen wird nicht als Frauenproblem betrachtet, sondern als ein strukturelles Problem der Gesellschaft, das diese lösen muß. Diese Auffassung spiegelt sich eindeutig in der schwedischen Gesetzgebung wieder. So existiert beispielsweise seit dem 1. Januar 1999 ein Prostitutionsverbot. Prostitution ist strafbar. Gemäß diesem Gesetz unterliegen jedoch die Freier und nicht die Prostituierten der Strafverfolgung. Prostitution wurde als Verkauf sexueller Dienstleistungen definiert. Im Ergebnis dieser Regelung hat die Prostitution stark abgenommen. Ein anderes Beispiel für die Übernahme von Verantwortung durch den Staat ist die Finanzierung von prophylaktischen Antigewaltmaßnahmen durch die schwedische Regierung, die dieses Programm bislang mit 41 Millionen Schwedische Kronen unterstützte. Für Frau Steinwerdt vom Amt für Gleichstellungsfragen der Stadt Magdeburg bildet strukturelle Gewalt die unabdingbare Grundlage für individuelle Gewalt. Gewalt gegen Frauen müsse auch in Deutschland zum öffentlichen Thema werden. Rund 30 Prozent aller Frauen seien physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt. 75 Prozent aller Vergewaltigungen finden im häuslichen Nahraum statt. 93 Prozent der Täter sind männlich. 45.000 Frauen pro Jahr suchen in einem Frauenhaus Schutz vor häuslicher Gewalt. Den Kindern betroffener Frauen müsse dabei künftig eine bessere Betreuung zukommen als dies bislang der Fall ist. Kinder würden noch zu oft nur als "Handgepäck" betrachtet. Jedoch sei eine spezifischere Betreuung nur mit einer verbesserten Personalsituation in den die Gewaltopfer betreuenden Einrichtungen möglich. Des Weiteren übt auch der Staat indirekt Gewalt auf betroffene Frauen mit Kindern aus, da diese, unter anderem bei Fragen des Sorgerechtes, durch die Gesetzgebung oftmals gezwungen werden, den gewalttätigen Partner zu kontaktieren. Die Frage, ob gesteigerte Eingriffsmöglichkeiten von staatlicher Seite aus bei Fällen häuslicher Gewalt Verbesserung bringen, kann bislang nicht eindeutig beantwortet werden. So würde beispielsweise das Wegweisungsrecht des gewalttätigen Partners aus der gemeinsamen Wohnung, wie es in Österreich praktiziert wird, mit einer Reihe von ebenfalls im deutschen Recht festgeschriebenen Persönlichkeitsrechten kollidieren. Aus einem anderen Blickwinkel heraus betrachtete die folgende Referentin, Frau Dr. Christel Gibas, das Thema Gewalt gegen Frauen. Am Beispiel der beruflichen Chancen von Frauen im Gesundheitswesen brachte sie eindeutig zum Ausdruck, welchen Einfluß bestehende gesellschaftliche Strukturen auf die Selbstverwirklichung von Frauen nehmen können. In den Anfängen der gesellschaftlichen Entwicklung oblagen die Heilung und Betreuung Kranker überwiegend der Frau. Mit der im Mittelalter einsetzenden Entwicklung der Medizin zur akademischen Wissenschaft und zur lukrativen Einkommensquelle setzte eine massive Verdrängung von Frauen aus der Heilpraxis ein. Zu den staatlich sanktionierten Maßnahmen dieses Vorganges gehörten auch die Hexenprozesse. Obgleich das Medizinstudium für Frauen nunmehr seit Jahrzehnten frei zugänglich ist und offiziell Gleichberechtigung propagiert wird, besteht noch immer ein massives Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen insbesondere auf der höheren Leitungsebene. Die durch Frau Dr. Gibas gezeigten Ergebnisse einer Analyse des gegenwärtigen Personalbestandes der Charité belegten dies. So sind nur 4 Prozent aller C4-Professuren im medizinischen Bereich durch Frauen besetzt. Auf der Ebene der wissenschaftlichen Mitarbeiter liegt der Frauenanteil noch bei 40 Prozent. Auch die Frau als Patientin unterliegt im medizinischen Bereich direkten und indirekten Gewaltphänomenen. Genannt werden sollen nur das Problem der Übermedikalisierung, des Beratungszwanges nicht nur im Zusammenhang mit § 218 oder das generell auf den Mann zugeschnittene Menschenbild in der Medizin. Frau Dr. Karin Rührdanz nutzte anschließend die Gelegenheit, ein von ihr geplantes Forschungsprojekt, das sich primär mit der Relevanz islamischer Kulturtraditionen für das Leben von MigrantInnen in westeuropäischen Gastländern beschäftigt. Die kulturell geprägte Auffassung des Gewaltbegriffs wird dabei ebenfalls eine Rolle spielen. Den Abschluß der Tagung bildete die durch Herrn Thomas Claus vorgeführte Präsentation des neugegründeten Gender-Instituts Sachsen-Anhalt (G/I/S/A), das seinen Sitz in Magdeburg hat. Dieses Institut widmet sich vorrangig der institutionellen Bündelung, Realisierung und Koordination von Forschungs- und Bildungsaktivitäten zur professionellen Umsetzung des gender-mainstreaming- Konzeptes. Vier Stunden sind wenig Zeit, um ein Thema wie Gewalt anzugehen. Es konnten nur einige wenigen Facetten beleuchtet werden, jedoch wurde eines klar: Gewalt in jeder Form ist ein Thema das alle angeht.


Christiane Aszakies

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